IN MEMORIAM GERDA FASSEL 14.08.1941 - 06.05.2025
- Elisabetta De Luca
- 22. Mai
- 2 Min. Lesezeit

"Noch heute zehre ich von meinen Jugenderinnerungen an Rom, wie zum Beispiel an meine erste große Italienreise, die ich meiner Tante Gerda verdanke. Wenn sie auch ab und an über die Italiener – also eigentlich über meinen Vater – schimpfte, so liebte sie als Künstlerin Italien als das gelobte Land der Renaissance und des Barocks über alles. Sie war weit gereist und extrem gebildet. Außerdem war sie auf ihre Weise extravagant, trug einen alten Herren-Burberry, rauchte blaue Gitanes und besaß einen gebrauchten Citroën DS. Mit diesem fuhren wir im Frühsommer 1987 auf „Grand Tour“ in die Stadt ihrer ewigen Sehnsucht, nach Rom! Es war mit Abstand eine der schönsten Reisen meines Lebens, die mir in lebenslanger Erinnerung bleiben wird und die uns ob unser beider Leidenschaft für Geschichte, Kunst und Italien noch inniger miteinander verbunden hat.
Auf dieser Tour zeigte sie mir ihr geliebtes Arkadien – jene wundervollen Orte der Menschheitsgeschichte mit ihren Kunstwerken, die mich bis heute prägen und sicherlich mit daran schuld sind, dass ich ständig Bücher über Italien schreiben muss. So besuchten wir die Villen Palladios am Brenta-Kanal, Galileo Galileis Lehrstuhl an der Universität von Padua im Palazzo del Bò, Michelangelos David auf der traumhaft schönen Piazza della Signorìa in Florenz und arbeiteten uns so in erwartungsvoller Vorfreude auf den Höhepunkt unserer Reise zu.
In Rom waren die Kunstwerke und Bauwerke noch einmal um ein Stück größer und prächtiger als in den zuvor besuchten Städten. Gleich ob Caravaggios prächtige Gemälde und Berninis fantastische Skulpturen in der Villa Borghese oder der Vatikan mit der imposanten spiralförmigen Bramante-Treppe, Michelangelos Sixtinischer Kapelle oder dem berühmten Fresko „La scuola di Atene“, auf dem Raffael seinem großen Vorbild Leonardo da Vinci mit einem Porträt als Platon ein verstecktes Denkmal gesetzt hat – wir kamen aus dem Staunen nicht raus. Andächtig schritt meine Tante zwischen den Werken der großen Meister umher, studierte dabei eingehend die Arbeit ihrer berühmten Vorbilder und erzählte mir währenddessen ergriffen detailreich von deren teilweise sehr dramatischen Lebensgeschichten.
Aber sie zeigte mir auch die moderne Seite der römischen Kunstszene. Als Bildhauerin hatte sie einige römische Freunde und Kollegen, die in den verwinkelten Gassen des ehemaligen Arbeiterviertels des Quartieres Monti ihre Ateliers und kleinen Galerien hatten. Ich lernte eine Menge interessanter Menschen und noch interessantere Kunstwerke kennen, von denen es wohl den wenigsten beschieden sein wird, in die Kunstgeschichte einzugehen."
Aus "Rom abseits der Pfade" von Elisabetta De Luca
Braumüller Verlag, Wien, 2023
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