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AutorenbildElisabetta De Luca

TraumReise #Venedig

Heute Nacht war ich in Venedig. Gegen drei Uhr nachts bin ich einfach in meinen roten Alfa Spider gestiegen und losgebraust. Ganz ohne Gepäck. Es war eine spontane Entscheidung. Nach kurzer Fahrt auf der Autobahn kam ich am Semmering an. Es war wie auf einer Postkarte! Der Schnee glitzerte in der Sonne, aus den Schornsteinen stieg leise Rauch auf und überall sah man braun gebrannte und gut gelaunte Menschen auf Skiern. Ich fuhr die Serpentinenstraße zum Südbahnhotel hinauf, wo schon ein Page in Livree auf mich wartete, um mir die Autotür zu öffnen.

Elegant glitt ich aus dem Cabrio und überließ ihm die Schlüssel, ehe ich auf dem roten, dicken Kokosläufer durch die große messingbeschlagene Drehtür in die Eingangshalle schritt. Der Raum war erfüllt von Menschen in Norwegerpullis und Steghosen sowie ihrem internationalen Stimmengewirr, das die Luft mit Freude erfüllte. Spätestens jetzt hätte ich mich wundern müssen, aber es war zu schön, also machte ich weiter…

Nachdem ich mein Luxus-Zimmer mit King Size-Bett, Terrasse und spektakulärem Ausblick bezogen hatte, entschied ich mich erst einmal zu einem Spaziergang. Ich wollte sehen, ob ich vielleicht ein paar Freunde traf, die auch hier Urlaub machten. Also schnappte ich mir meine Handtasche und ging, ohne mich erst umzuziehen, los. Auf High Heels und in meinem roten Lieblingskleid stapfte ich durch den Schnee. Ich spazierte durch enge Gassen vorbei an Straßencafés, die voll von Menschen waren, die sich angeregt unterhielten. Hie und da sah ich auch tatsächlich ein bekanntes Gesicht, grüßte aber nur durch freundliches Zunicken aus der Ferne, um rasch vorüberzugehen. Immerhin wollte ich ja heute noch nach Venedig!

Nach einiger Zeit war ich vom Herumwandern müde. Also setzte ich mich in den Gastgarten eines netten Lokals mit bunten Bistrotischen und bestellte einen Aperitivo italiano. Ein fescher Kellner, der zu meinem Erstaunen stark meiner italienischen Jugendliebe aus Teenager-Tagen ähnelte, stellte mit breitem Lächeln ein orange leuchtendes, angelaufenes Glas vor mich hin. Es war heiß, und ich konnte es nicht erwarten, einen großen Schluck von dem kühlen Getränk zu machen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich am Nebentisch George Clooney mit ein paar Freunden sitzen. Sie tranken Espresso und unterhielten sich angeregt auf Italienisch. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es in einer Weltstadt wie Rom ganz normal wäre, im Alltag auf einen Hollywood-Star zu treffen. Und immerhin hatte er ja auch ein Haus in Italien.

Müßig beobachtete ich das rege Treiben auf der Piazza. Junge Männer in gestreiften T-Shirts und Mädchen in Petty Coats standen überall paarweise herum. Bunte Vespas und Cinquecentos brausten über den Platz, dessen Zentrum ein großer Brunnen bildete, in dem Kinder lauthals plantschten. Ein Flic, der Louis De Funès ähnelte, regelte wild gestikulierend den dichten Verkehr. Ich musste über mich selbst schmunzeln. Ich hatte schon immer ein Faible für die Fünfzigerjahre, alte Filme und obendrein eine blühende Phantasie…

Draußen war es schon hell. Ich stand auf, ging ins Bad und blickte in den Spiegel. Egal, dass meine besten, geschweige denn Teenager-Tage längst vorüber waren. Egal, dass ich seit der Geburt meiner Tochter vor 11 Jahren keine High Heels mehr getragen hatte, und mein Lieblingskleid in Größe 38 hoffnungslos im Schrank auf „bessere Zeiten“ wartete. Egal, dass ich als Single Working Mom im Dauersparmodus niemals eine überteuerte Hotel-Suite buchen würde und es, abgesehen davon, das Südbahnhotel schon lange nicht mehr gibt. Egal, dass das Geld ein Leben lang niemals für einen schnittigen italienischen Neuwagen, sondern immer nur für kleine rumänsiche Gebrauchtautos gereicht hatte. Egal, dass man in Corona-Zeiten nun für mehrere Monate nicht ins Ausland reisen und sich diesen Sommer wahrscheinlich selbst einen Urlaub in Österreich finanziell nur schwer leisten kann. Egal. Im Traum ist alles möglich!

„Mama?“ Meine Tochter stand noch ganz verschlafen in der Türe und rieb sich die Augen. „Was arbeitest Du denn da schon wieder in aller Herrgottsfrüh?“ „Schatzi, ich muss Dir was

erzählen!“ unterbrach ich sie euphorisch. „Denk nur, ich war heute Nacht in Venedig…!“


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